Antibiotika – und jetzt? Darmflora-Aufbau nach Antibiotika

Trotz der unbestreitbaren Erfolge von Antibiotika, leidet – was viele nicht wissen – unser Darm und damit einhergehend auch unser Immunsystem unter einer Antibiotika-Therapie. Durchfälle, Übelkeit, Schwäche, Krankheitsgefühl und vermehrt Blähungen können dadurch ausgelöst werden. Darüberhinaus gibt es noch nicht überschaubare Spätfolgen, die erst am Anfang der Forschung stehen [1].

Oft werden auch Antibiotika bei viralen Infekten gegeben, obwohl Antibiotika bekanntlich nur auf Bakterien wirken. Die allermeisten grippalen Infekte sind viral ausgelöst. Eine Diagnostik zur Unterscheidung, ob viral oder bakteriell ausgelöst, würde den Aufwand und die Kosten nicht rechtfertigen. Häufig wird trotzdem entweder aus therapeutischen oder prophylaktischen Gründen ein Antibiotikum verschrieben. Oft sind es auch die Patienten, die darauf bestehen, dass doch „etwas“ getan werden müsse und ein „richtiges Mittel“ gegeben werden sollte.

Antibiotika nehmen dem Körper quasi das „Heft aus der Hand“. Unser Körper hat nicht mehr den Lerneffekt mit bakteriellen Infektionen umzugehen, wie es die Natur vorgesehen hat. Studien konnten zeigen, dass Infekte unter antibiotischer Therapie zunächst geheilt werden konnten, jedoch der gleiche Infekt kurze Zeit später erneut auftreten kann oder zu anderen Krankheiten führen konnte (HNO-Infekte bei Kindern [4], entzündliche Darmerkrankung [2],  Asthma bronchiale [3]).

Auswirkungen auf den Körper durch Antibiotikaeinnahme

Insgesamt hat eine kurze Antibiotikagabe auf den Darm einen kleinen Effekt. Werden längere Zeiträume oder häufige Antibiotikagaben notwendig, sind die Auswirkungen auf die Darmflora deutlicher. Magen-Darm-Probleme zählen dabei zu den häufigeren Nebenwirkungen, allen voran die antibiotika-assoziierte Diarrhö (AAD).

Schon seit vielen Jahren wird in der Medizinwelt diskutiert, ob nicht auch die zivilisatorischen Erkrankungen wie Allergien, Asthma, Neurodermitis [3,6,7], Autoimmunerkrankungen und Brustkrebs [5a, 5b] in einem Zusammenhang mit der Einnahme von Antibiotika stehen. Auch konnten Studien zeigen, dass eine antibiotische Therapie andere Erkrankungen triggern kann (Morbus Crohn [9], Zöliakie [10], Reizdarmsyndrom [11] und evtl. auch Lebensmittelunverträglichkeiten etc.). Es liegt nahe, dass nicht die Antibiotika selbst die Verursacher, sondern die dadurch veränderte Darmflora. Dass die darmansässigen Bakterien, von denen jeder Erwachsene ca. 1,5-2 kg besitzt, durch eine antibiotische Therapie nachhaltig gestört werden, ist schon lange bekannt [8]. Antibiotika bekämpfen Bakterien, die krankheitserregenden Keime aber gleichzeitig auch die „guten“ Darmbakterien.

Unterstützung während der Antibiotikaeinnahme – Wie lässt sich die Darmflora während und nach Antibiotikaeinsatz mit Probiotika wieder aufbauen?

Insbesondere hat sich dabei zur Unterstützung Saccharomyces boulardii, der eine Arzneimittelzulassung besitzt, durchsetzen können [12]. Studien konnten zeigen, dass Durchfälle, die durch Antibiotika hervorgerufen wurden (AAD = Antibiotika assoziierte Diarrhoe), durch probiotische Keime deutlich reduziert werden.
Die schulmedizinische Therapie, die in der Regel nur weitere Antibiotika einsetzt, um über die überschüssigen Keime „Herr zu werden“ (wie z.B. bei der Pseudomembranösen Colitis bei einer Überwucherung des Dickdarmes mit Clostridium difficile, ausgelöst durch eine Antibiotikagabe), ist nicht zielführend. Normalerweise werden die darmansässigen Keime, die auch mal krankhaft werden können, durch die guten Keime oder durch das differenzierte Gesamtmilieu „in Schach“ gehalten. Erst durch die Vernichtung der „guten“ Bakterien können andere, insbesondere auch krankmachende Keime, die freiwerdende ökologische Nische im Darm besetzen und damit den Darm überwuchern. So konnte sogar gezeigt werden, dass schon ein einzelner Stamm der „gesunden“ Darmflora die Fähigkeit besitzt, Clostridium difficile in seiner Ausprägung zu modulieren [13].

Gerade Multispezies-Präparate, d.h. Probiotika mit vielen verschiedenen Stämmen, haben sich als effizienter erwiesen, gegenüber einem Präparat mit nur einem oder wenigen Stämmen [14a, b]. Darüber hinaus ist es gut, spezifische Ballaststoffe, die als Ernährung der „guten“ Bakterien dienen, innerhalb eines Präparates zu haben. Typische Ballaststoffe und damit Nahrungsquellen für Bakterien sind z.B. Oligofructosen, Inulin, Nutriose, Galactoside etc.

Es macht daher Sinn, nicht erst nach einer Antibiotikatherapie, sondern schon währenddessen eine mikrobiologische Therapie einzuleiten.

Diese sollten auch über die „Akutphase“ oder der Verschreibung des Medikaments hinweg eingenommen werden; denn ein gestörtes Ökogebiet, das aus ca. 2000 verschiedenen Arten besteht und sich auf einer Oberfläche von ca. 400m2 verteilt, wird nicht von heute auf morgen wieder seine volle Leistung entfalten können.

Literatur

[1] Short-term antibiotic treatment has differing long-term impacts on the human throat and gut microbiome. Jakobsson HE, PLoS One. 2010 Mar 24;5(3)

[2] An overview of the bacterial contribution to Crohn disease pathogenesis. Alhagamhmad, MH, J Med Microbiol. 2016 Aug 8

[3] Antibiotic exposure in the first year of life and later treated asthma, a population based birth cohort study of 143,000 children. Pitter G, Eur J Epidemiol. 2016 Jan;31(1):85-94

[4] Recurrence up to 3.5 years after antibiotic treatment of acute otitis media in very young Dutch children: survey of trial participants. Bezáková, BMJ. 2009 Jun 30;338:b2525

[5a] Antibiotic Use in Relation to the Risk of Breast Cancer. Velicer, JAMA. 2004;291(7):827-835. 2004

[5b] Risk of breast cancer in relation to antibiotic use. Tamim, HM., Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2008 Feb;17(2):144-50

[6] Antibiotic exposure in early infancy and risk for childhood atopy. Johnson CC, J Allergy Clin Immunol 2005;115: 1218–1224

[7] Use of antibiotics during pregnancy increases the risk of asthma in early childhood. Stensballe LG, J Pediatr 2013;162:832–838

[8] Incomplete recovery and individualized responses of the human distal gut microbiota to repeated antibiotic perturbation. Dethlefsen L, Proc Natl Acad Sci USA 2011;108:4554–4561

[9] Antibiotics Associated With Increased Risk of New-Onset Crohn’s Disease But Not Ulcerative Colitis: A Meta-Analysis.The American Journal of Gastroenterology 109, 1728-1738, 2014

[10] Antibiotic exposure and the development of coeliac disease: a nationwide case–control study. Mårild et al. BMC Gastroenterology 2013, 13:109

[11] Use of Broad-Spectrum Antibiotics and the Development of Irritable Bowel Syndrome. Armando A. Villarreal, WMJ. 2012 Feb;111(1):17-20

[12] Saccharomyces boulardii in the treatment and prevention of antibiotic-associated diarrhea. Micklefield G., MMW Fortschr Med. 2014 Apr 17;156 Suppl 1:18-2

[13] Lactobacillus acidophilus modulates the virulence of Clostridium difficile. Yun B, J Dairy Sci. 2014 May 22

[14a] Monostrain, multistrain and multispecies probiotics—A comparison of functionality and efficacy. H.M. Timmerman, Int J Food Microbiol. 2004 Nov 15;96(3):219-33

[14b] Probiotika, Präbiotika und Synbiotika, S.C.Bischoff, S. 151, Thieme 2009, ISBN 978-3-13-144891-0