Akkermansia muciniphila – was ist das überhaupt?

Seit einiger Zeit ist ein immer stärkerer Zusammenhang zwischen der mikrobiellen Balance bzw. Vielfalt im Magen-Darm-Trakt und der menschlichen Gesundheit ersichtlich. Dabei kann die dort vorkommende Mikrobiota als ein Indiz für die Gesundheit des menschlichen Wirtes herangezogen werden.

Einige Magen-Darm-Erkrankungen, wie Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), Reizdarm, chronischen Darmentzündungen und Diabetes-Typ-2, zeigen einen Zusammenhang mit der Mikrobiota im Magen-Darm-Trakt auf.

 Akkermansia muciniphila ist ein 2004 entdecktes Darmbakterium, welches in der menschlichen Darmschleimhaut vorzufinden ist und wahrscheinlich einen erheblichen Beitrag zu einer gesunden Darmflora leistet. Das sauerstoffempfindliche Bakterium gehört dem Stamm der Verrurcomicrobia an.

Akkermansia muciniphila macht ungefähr 3% der im Menschen vorkommenden Bakterien im Kolon (mittlerer Dickdarmabschnitt) aus und ist damit eine der an der häufigsten vertretenen Art. Dort nutzt es die Hauptbestandteile der Darmschleimhaut, sogenannte Mucine, als Nahrungsquelle.

Bereits nach der Geburt beginnt das Bakterium mit der Besiedlung des Darmes und erreicht schon im ersten Lebensjahr ein Besiedlungslevel, welches dem eines Erwachsenen ähnelt.

Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl des Darmbakteriums ab. Die früheinsetzende Kolonisierung des Darmes beruht wahrscheinlich auf dem Vorkommen von Akkermansia muciniphila in der Muttermilch.

Die in der Muttermilch enthaltenen Kohlenhydrate ähneln denen, welche in der Darmschleimhaut vorzufinden sind und können daher auch als Nahrungsquelle für das Bakterium dienen.

Auch konnten Akkermansia-ähnliche Spezies im weiblichen Brustgewebe nachgewiesen werden. DNA-Sequenzen der Art Akkermansia konnte in zahlreichen Bestandteilen des menschlichen Magen-Darm-Traktes gefunden werden.Die Besiedlungsdichte von Akkermansia muciniphila variiert zum einen zwischen einzelnen Personen, sowie auch zwischen verschiedenen Altersgruppen. Auch könnte die geografische Lage einen Einfluss auf das Vorkommen Akkermansia muciniphila besitzen. So konnte gezeigt werden, dass Menschen aus Süd-China eine geringere Besiedlungsdichte als Europäer aufwiesen.

Das Darmbakterium stimuliert das Immunsystem und das Wachstum der natürlich vorkommenden Darmbakterien. Dadurch erschwert es unteranderem pathogene („krankheitserregende“) Bakterien sich im Darmtrakt zu vermehren und diverse Krankheiten auszulösen.

Zusätzlich besteht wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen einigen Stoffwechselerkrankungen, wie z.B. Typ-2-Diabetes, auch Diabetes mellitus Typ-2 genannt, und dem Vorkommen von Akkermansia muciniphila.

Diese Form der Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung der Welt. Auch besteht wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen der Besiedlungsdichte von Akkermansia muciniphila Übergewicht und chronischen Darmentzündungen.

Dabei konnte eine an Mäusen durchgeführte Studie gezeigt werden, dass die Anzahl an Zellen von dem Darmbakterium stark verringert bei übergewichtigen und unter Typ-2-Diabetes leidenden Mäusen war.

Dies konnte auch an Mäusen festgestellt werden, welche an chronischen Darmentzündungen litten. Eine andere Studie konnte dies 2016 für übergewichtige Menschen bestätigen.

Vermutlich kommt es durch den Schwund an Akkermansia muciniphila zu einer Veränderung der Darmwandfunktion. Durch diese Störung gelangen vermehrt Entzündungsfaktoren, wie Lipopolysaccharide (LPS), in das Blutplasma, welche Entzündungen und Stoffwechselerkrankungen begünstigen.

Dies ist auf die Interaktion des Bakteriums mit einem Rezeptor der Darmwand, welcher einen Einfluss auf Durchlässigkeit der Darmwand besitzt, zurückzuführen. Wahrscheinlich ist das Oberflächenprotein Amuc_1100 von Akkermansia muciniphila für die oben beschriebene Wirkungskette verantwortlich. In der unten gezeigten Abbildung ist der Wirkmechanismus nochmals grafisch dargestellt.

Zurzeit gibt es keine Hinweise auf einen pathogenen Charakter von Akkermansia muciniphila.  Daher, und aufgrund des vermutlich positiven Einflusses auf die menschliche Gesundheit, besitzt das Darmbakterium ein hohes probiotisches Potenzial.

Jedoch darf A. muciniphila innerhalb der europäischen Union in seinem lebenden Zustand noch nicht vertrieben werden. Für eine Zulassung muss entweder nachgewiesen werden, dass das Bakterium schon vor seiner Entdeckung in der Nahrungsmittelindustrie verwendet worden ist oder es müssen klinische Studien durchgeführt werden, welche die Einnahme von lebenden A. muciniphila-Zellen auf einen längeren Zeitraum als unbedenklich einstufen.

Die Zellen können jedoch in inaktiver Form, z.B. als pasteurisierte Zellen, bereits vertrieben werden. Das bereits beschriebene Oberflächenprotein Amuc_1100 übersteht hierbei den Inaktivierungsschritt.

Auch könnten sogenannte Präbiotika helfen die Besiedlungsdichte von A. muciniphila zu erhöhen. Präbiotika sind „Nicht verdaubare Lebensmittelbestandteile, die ihren Wirt günstig beeinflussen, indem sie das Wachstum und/oder die Aktivität einer oder mehrerer Bakterienarten im Dickdarm gezielt anregen und somit die Gesundheit des Wirts verbessern.

So konnten in diversen Studien bereits einige Präbiotika für A. muciniphila ermittelt werden. Zu diesen Präbiotika zählen unter anderem Cranberry-Extrakt, Vitamin D3, Inulin und Inhaltsstoffe der Weintraube. Des Weiteren konnte auch nach der Verabreichung einer probiotischen Bakterienmischung ein erhöhtes Vorkommen von A. muciniphila im menschlichen Stuhl nachgewiesen werden.

Die dort eingesetzten Bakterienkulturen, z.B. Lactobacillus plantarum und Bifidobacterium lactis, finden sich bereits in vielen auf dem Markt vorkommenden Probiotika.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Akkermansia muciniphila ein vielversprechender Kandidat in der Bekämpfung bzw. Linderung diverser Krankheiten ist und zukünftige Forschungsergebnisse mit Spannung zu erwarten sind.

Literatur

Abbildung 1: Geerlings, Sharon Y.; Kostopoulos, Ioannis; Vos, Willem M. de; Belzer, Clara (2018): Akkermansia muciniphila in the Human Gastrointestinal Tract: When, Where, and How? In:Microorganisms 6 (3). DOI: 10.3390/microorganisms6030075.

Abbildung 2: Cani, Patrice D.; Vos, Willem M. de (2017): Next-Generation Beneficial Microbes: The Case of Akkermansia muciniphila. In: Frontiers in microbiology 8, S. 1765. DOI: 10.3389/fmicb.2017.01765.

Anhê, Fernando F.; Roy, Denis; Pilon, Geneviève; Dudonné, Stéphanie; Matamoros, Sébastien; Varin, Thibault V. et al. (2015): A polyphenol-rich cranberry extract protects from diet-induced obesity, insulin resistance and intestinal inflammation in association with increased Akkermansia spp. population in the gut microbiota of mice. In: Gut 64 (6), S. 872–883. DOI: 10.1136/gutjnl-2014-307142

Belzer, Clara; Vos, Willem M. de (2012): Microbes inside—from diversity to function: the case of Akkermansia. In: ISME J 6 (8), S. 1449–1458. DOI: 10.1038/ismej.2012.6

Blaser, Martin J. (2014): The microbiome revolution. In: The Journal of clinical investigation 124 (10), S. 4162–4165. DOI: 10.1172/JCI78366

Cani, Patrice D.; Vos, Willem M. de (2017): Next-Generation Beneficial Microbes: The Case of Akkermansia muciniphila. In: Frontiers in microbiology 8, S. 1765. DOI: 10.3389/fmicb.2017.01765

Cantarel, Brandi L.; Waubant, Emmanuelle; Chehoud, Christel; Kuczynski, Justin; DeSantis, Todd Z.; Warrington, Janet et al. (2015): Gut microbiota in multiple sclerosis: possible influence of immunomodulators. In: Journal of investigative medicine : the official publication of the American Federation for Clinical Research 63 (5), S. 729–734. DOI: 10.1097/JIM.0000000000000192

Collado, M. Carmen; Derrien, Muriel; Isolauri, Erika; Vos, Willem M. de; Salminen, Seppo (2007): Intestinal integrity and Akkermansia muciniphila, a mucin-degrading member of the intestinal microbiota present in infants, adults, and the elderly. In: Applied and environmental microbiology 73 (23), S. 7767–7770. DOI: 10.1128/AEM.01477-07

Dao, Maria Carlota; Everard, Amandine; Aron-Wisnewsky, Judith; Sokolovska, Nataliya; Prifti, Edi; Verger, Eric O. et al. (2016): Akkermansia muciniphila and improved metabolic health during a dietary intervention in obesity: relationship with gut microbiome richness and ecology. In: Gut 65 (3), S. 426–436. DOI: 10.1136/gutjnl-2014-308778

Derrien, M.; van Passel, Mark W. J.; van de Bovenkamp, Jeroen H. B.; Schipper, Raymong G.; Vos, W. M. de; Dekker, Jan. (Juli/Augst 2010): Mucin-bacterial interactions in the human oral cavity and digestive tract. In: Gut Microbes (1:4), 254-268 4

Derrien, Muriel; Vaughan, Elaine E.; Plugge, Caroline M.; Vos, Willem M. de (2004): Akkermansia muciniphila gen. nov., sp. nov., a human intestinal mucin-degrading bacterium. In: International journal of systematic and evolutionary microbiology 54 (Pt 5), S. 1469–1476. DOI: 10.1099/ijs.0.02873-0

Distrutti, Eleonora; Monaldi, Lorenzo; Ricci, Patrizia; Fiorucci, Stefano (2016): Gut microbiota role in irritable bowel syndrome: New therapeutic strategies. In: World journal of gastroenterology 22 (7), S. 2219–2241. DOI: 10.3748/wjg.v22.i7.2219

Everard, A.; Belzer, C.; Geurts, L.; Ouwerkerk, J. P.; Druart, C.; Bindels, L. B. et al. (2013): Cross-talk between Akkermansia muciniphila and intestinal epithelium controls diet-induced obesity. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 110 (22), S. 9066–9071. DOI: 10.1073/pnas.1219451110

Geerlings, Sharon Y.; Kostopoulos, Ioannis; Vos, Willem M. de; Belzer, Clara (2018): Akkermansia muciniphila in the Human Gastrointestinal Tract: When, Where, and How? In: Microorganisms 6 (3). DOI: 10.3390/microorganisms6030075

Gibons, G.R. und Roberfroid, M.B. (1995): Dietary Modulation of the Human Colonic Microbiotia: Introducing the Concept of Prebiotics. In: American Institute of Nutrition (95)

Guo, X.; Zhang, J.; Wu, F.; Zhang, M.; Yi, M.; Peng, Y. (2016): Different subtype strains of Akkermansia muciniphila abundantly colonize in southern China. In: Journal of applied microbiology 120 (2), S. 452–459. DOI: 10.1111/jam.13022

Noora Ottmann (2015): Host immunostimulation and substrate utilization of the gut symbiont Akkermansia muciniphila. Dissertation. Wageningen University, Wageningen, NL

Patel, Shriram H.; Vaidya, Yati H.; Patel, Reena J.; Pandit, Ramesh J.; Joshi, Chaitanya G.; Kunjadiya, Anju P. (2017): Culture independent assessment of human milk microbial community in lactational mastitis. In: Scientific reports 7 (1), S. 7804. DOI: 10.1038/s41598-017-08451-7

Plovier, Hubert; Everard, Amandine; Druart, Céline; Depommier, Clara; van Hul, Matthias; Geurts, Lucie et al. (2017): A purified membrane protein from Akkermansia muciniphila or the pasteurized bacterium improves metabolism in obese and diabetic mice. In: Nature medicine 23 (1), S. 107–113. DOI: 10.1038/nm.4236

Remely, Marlene; Hippe, Berit; Geretschlaeger, Isabella; Stegmayer, Sonja; Hoefinger, Ingrid; Haslberger, Alexander (2015): Increased gut microbiota diversity and abundance of Faecalibacterium prausnitzii and Akkermansia after fasting: a pilot study. In: Wiener klinische Wochenschrift 127 (9-10), S. 394–398. DOI: 10.1007/s00508-015-0755-1

Roopchand, Diana E.; Carmody, Rachel N.; Kuhn, Peter; Moskal, Kristin; Rojas-Silva, Patricio; Turnbaugh, Peter J.; Raskin, Ilya (2015): Dietary Polyphenols Promote Growth of the Gut Bacterium Akkermansia muciniphila and Attenuate High-Fat Diet-Induced Metabolic Syndrome. In: Diabetes 64 (8), S. 2847–2858. DOI: 10.2337/db14-1916

Roshanravan, Neda; Mahdavi, Reza; Alizadeh, Effat; Ghavami, Abed; Rahbar Saadat, Yalda; Mesri Alamdari, Naimeh et al. (2017): The effects of sodium butyrate and inulin supplementation on angiotensin signaling pathway via promotion of Akkermansia muciniphila abundance in type 2 diabetes; A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. In: Journal of cardiovascular and thoracic research 9 (4), S. 183–190. DOI: 10.15171/jcvtr.2017.32

Schneeberger, Marc; Everard, Amandine; Gómez-Valadés, Alicia G.; Matamoros, Sébastien; Ramírez, Sara; Delzenne, Nathalie M. et al. (2015): Akkermansia muciniphila inversely correlates with the onset of inflammation, altered adipose tissue metabolism and metabolic disorders during obesity in mice. In: Scientific reports 5, 16643 EP -. DOI: 10.1038/srep16643

Sheehan, Donal; Moran, Carthage; Shanahan, Fergus (2015): The microbiota in inflammatory bowel disease. In: Journal of gastroenterology 50 (5), S. 495–507. DOI: 10.1007/s00535-015-1064-1

Stryer, Lubert; Tymoczko, John L.; Berg, Jeremy M. (2003): Biochemie. 5. Aufl. Berlin: Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg

Urbaniak, Camilla; Cummins, Joanne; Brackstone, Muriel; Macklaim, Jean M.; Gloor, Gregory B.; Baban, Chwanrow K. et al. (2014): Microbiota of human breast tissue. In: Applied and environmental microbiology 80 (10), S. 3007–3014. DOI: 10.1128/AEM.00242-14

Verdu, Elena F.; Galipeau, Heather J.; Jabri, Bana (2015): Novel players in coeliac disease pathogenesis: role of the gut microbiota. In: Nature reviews. Gastroenterology & hepatology 12 (9), S. 497–506. DOI: 10.1038/nrgastro.2015.90

Zhang, Xiuying; Shen, Dongqian; Fang, Zhiwei; Jie, Zhuye; Qiu, Xinmin; Zhang, Chunfang et al. (2013): Human gut microbiota changes reveal the progression of glucose intolerance. In: PloS one 8 (8), e71108. DOI: 10.1371/journal.pone.0071108